Home





Links









Copyright Detlev Bölter

zurück

Brunsviga B (Nr. 2419)


Hersteller: Brunsviga Maschinenwerke Grimme, Natalis & Co. AG
Baujahr: ca. 1895/6
Seriennummer: 2419
Funktion: Vierspezies-Sprossenradmaschine 9x8x13, mit Flügelschraubenlöschung, ohne Einstellwerk, ohne Zehnerübertragung im Umdrehungszählwerk, noch ohne Kommaschieber und ohne jegliche Sperrvorrichtung. Zehnerübertrag über 10 Stellen. Mit Metallhaube.
Beschreibung: Die "Brunsviga B" war die erste deutsche Sprossenradmaschine überhaupt (die erste serienmäßig hergestellte Original-Odhner entstand 6 Jahre früher) und das erste Serienmodell der Brunsviga-Reihe. Die "Brunsviga A" mit 18-stelligem Resultatwerk wurde erst ab 1895 gebaut.
Rechts eine zeitgleiche Odhner (aus der Sammlung von Sergei Frolov). Man erkennt, wie sehr sich die Maschinen ähneln.
Man begann bei GN&C gegen Ende des 19. Jahrh., sich diverse Sperrvorrichtungen einfallen zu lassen, um Bedienungsfehlern vorzubeugen, diese Maschine enthält jedenfalls noch keine. Sie repräsentiert, wie die frühen Original-Odhners, den Urtyp des Sprossenradrechners, noch überdimensioniert in allen Bestandteilen.

Maschinen mit dem Hand-Logo werden auch "Schuster-Brunsviga" genannt. Ernst Schuster war der Generalvertreter für Brunsviga in Berlin. Diese Hand montierte er bei einigen Maschinen nachträglich über das Brunsviga-Logo. Vor allem in dieser frühen Form mit innerer Beschriftung ist es sehr selten erhalten, da die Befestigung nicht sehr stabil ist und das Email-Dekor leicht zersplittert.

Ein seltsamer Stilbruch, und nicht nur das. Wurde die Unkenntlichmachung des Herstellers von Braunschweig aus gebilligt? Ob auch die Haube übermalt ist, konnte ich nicht feststellen, sie trägt jedenfalls keine Beschriftung. Zu vermuten ist es jedenfalls.
Oberhalb der Patent-Inschriften auf der linken Seite der Maschine ist ebenfalls eine Übermalung von Schrift erkennbar (s.u.). Es sieht insgesamt so aus, aus wollte der Generalvertreter Schuster die Herstellerfirma vertuschen und sich selbst als Fabrikant darstellen. Einige Jahre später begann Schuster ja mit einer eigenen Produktion, der "Berolina". Also hat er sich bereits als späterer Konkurrent - nicht ganz legal, wie ich vermute - bemerkbar gemacht und Kunden gesammelt. Man hat dieses Hand-Logo bereits auf der Maschine mit SN 928 gefunden, also trug sich Schuster bereits früh mit dem Gedanken, für die eigene Firma vorzuarbeiten.

Anzeige von Schuster aus:
"Fliegende Blätter", München, 12. Jan. 1896
Man beachte, dass Schuster noch immer die "B" mit kurzer Kurbel abbilden ließ, jedoch neben der "A" auch die seltene "C" mit (10-stelligem RZW und halblanger Kurbel) bewirbt.





Die Rückseite meiner Maschine trägt wieder den Schriftzug "Ernst Schuster" und zwei Logos mit lateinischer und ungarischer Schrift. Um Ernst Schuster nicht Unrecht zu tun: Vielleicht gab es ja ein Agreement, dass er ein gewisses Kontingent an Maschinen unter eigenem Label verkaufen durfte, vielleicht auf das Ausland beschränkt.

Der Kurbelgriff ist aus Nußbaum und unbeschädigt erhalten, auch die Schlittenbeschriftung ist noch tadellos. Mit Metallhaube und auf Holzplatte montiert. Der Schlüssel des Haubenschlosses ist nachgefertigt.
Das nur decklackierte Trommelblech zeigt wie üblich stärkeren Abrieb als der Rest der Lackierung. Man war mit der Farbeinlegetechnik für das feine Logo noch nicht sehr vertraut und hat, um ein Zulaufen der Rillen zu vermeiden, auf die Grundierung bzw. auf die körperreicheren Einbrennlacke verzichtet. Einige Exportmodelle hat man aus diesem Grund sogar vernickelt - um Kundenärger zu vermeiden oder weil es im Ausland nur eingeschränkten Reparaturservice gab.
Das Schlittenblech wurde besser lackiert, der Lack ist hier intakt, ebenso wie bei den übrigen Außenteilen. Die Bleche und die im Lack ebenfalls sehr gut erhaltene Haube habe ich nur gereinigt und aufpoliert, das Innere jedoch bis zur letzten Schraube zerlegt und gereinigt. Nach über 100 Jahren hat sie eine Reinigung verdient, und den Genuß, eine so frühe Maschine im Innersten kennenzulernen, wollte ich mir nicht entgehen lassen. Bis auf eine Korrektur des verbogenen Schlittentransporthebels war mechanisch noch immer alles OK, für die Größe läuft die Mechanik erstaunlich weich. Ich habe die Maschine so gründlich überholt, dass sie noch einmal 100 Jahre überstehen wird.



Anmerkungen:
Ein Nachtrag: Bei Ebay wurde eine etwas spätere Schuster-Brunsviga (SN 3822) versteigert, bei der Ernst Schuster noch ein Stück weiter ging, den Brunsviga-Schriftzug abdeckte und sich als "Einzige Bezugsquelle" nannte (Foto links), übrigens jetzt mit der Adresse "Berlin S.W. 12".
Das Innere des Hand-Logo ist rund und läßt den Blick auf das (hier nur undeutlich zu sehende) GNC-Logo frei. War dies ein Kompromiss, den Grimme, Natalis und Co. duldeten?
Links intern: Tabelle der frühen Brunsviga-Modelle
Seriennummern früher Brunsvigas
Links extern: Zur Geschichte
Literatur: Martin S. 115 (Auszug als Scan)
Ausführlich bei Reese
Download:

Das Brunsviga-Logo, das von der Hand (Foto rechts) überdeckt war und deshalb - abgesehen von den Bohrungen - wunderbar erhalten ist. Die Schraublöcher und die Verschraubung selbst sind derart primitiv gefertig, dass das Anbringen seitens der Fabrik ausgeschlossen werden kann. Wer ruiniert auch schon sein eigenes Logo! Die Einlegefarbe des Logos, der Seriennummer und der Schrift auf dem Trommelblech war übrigens Silber - bei den frühen Odhner-Arithmometern war es Goldlack.

Das Hand-Logo von Ernst Schuster in Großaufnahme, trotz kleiner Emailabplatzer gut erhalten und sehr selten. Die Schrift: "Ernst Schuster, Berlin W. 35, Schöneberger Ufer 5-9, Ringbahnbogen 1-3, F.-A. VI, 3349" (vgl. die obige Werbeanzeige).
Martin Reese erwähnt nur die spätere Anschrift seiner Niederlassung (Berlin S.W. 12), zuvor hatte Schuster also ein anderes Exportbüro für "seine" Maschinen. Für die "Berolina" hatte Schuster wiederum neue Adressen (siehe Martin S. 138), er war also auch in dieser Hinsicht ein recht beweglicher Mann.

Schon immer wollte ich einen Schlitten zerlegt ablichten, die "B" kam mir gerade recht. Ich habe 177 Teile gezählt (habe das jedoch nicht durch eine zweite Zählung verifiziert). (Für eine größere Abbildung hier klicken!)


Ein Beispiel für die Überdimensionierung früher Maschinen. Ziffernrad und Zehnerübertragshebel, links aus einer Nachkriegs - Original-Odhner, rechts aus der Brunsviga "B". Die "B"-Teile wiegen das Dreifache! Der ganze Schlitten der "B" wiegt 2 Kilogramm. Und noch ein Unterschied: Der Hebel der Odhner ist aus Stahl und purzelte fertig aus der Presse, der Hebel der "B" ist aus Bronze und musste nach dem Guss an allen Flächen manuell zugeschliffen werden.
(Allerdings: Ich habe den Schlitten der "B" mit SN 928 repariert, sie hatte bereits Stahlhebel. Möglicherweise stammt das Schlittenmaterial meiner SN 2419 aus ganz früher Fertigung.)

Der gereinigte und frisch montierte Schlitten ist seiner ganzen Pracht, fast zu schön, um ihn hinter der Verkleidung zu verstecken. Sockel und Träger sind aus Messing, alles aus einem Block geschnitten, das war noch Jahrzehnte lang üblich. Die Zwischenräder für das RZW und das UZW wurden nicht aus Eisen, sondern aus einer Weissmetalllegierung gefertigt.


Sprossenräder dieser Brunsviga B. Mit 7 cm Duchmesser ebenso überdimensioniert wie alles andere. Das entspricht den russischen Odhner-Arithmometer und-Original Odhner, die ja so ziemlich 1:1 nachgebaut wurden, sogar in den Gewindemaßen der Befestigungsschrauben. Gewicht: 165 gr, Gesamtgewicht der Trommel mit Achse: 1,9 kg. Zum Vergleich: Später wurden etwa 6 cm (ca. 95 gr) üblich, bei der Brunsviga M brachte man es auf 4,8 cm.
Am Achsloch erkennt man, dass die Sprossenräder noch nicht gegen das Verdrehen gesichert sind! Warum noch keine Passfeder verwendet wurde, bleibt das Geheimnis von GN&C, die Montage erschwert es jedenfalls deutlich. Allerdings hat Odhner in Petersburg noch 1904 ohne Passfedern gefertigt!

Die "Schuster"-Logos auf der Rückseite, links eine lateinische, rechts eine ungarische Inschrift. Sie weisen darauf hin, dass die Maschine nach Ungarn exportiert wurde.

Die Patentvermerke auf der linken Seite mit dem oben übermalten Teil (bekannt von anderen Maschinen: "Grimme, Natalis & Co / Braunschweig-Brunswick / System [oder "Patent"] W.T. Odhner.")


Fotos vom Zusammenbau, nach Reinigung und Politur: Das puristisch anmutende Innenleben ohne jede Sperrvorrichtung, noch fast identisch mit dem odhner'schen Modell (vgl. Odhner SN 147).
Die runde Querstange im Vordergrund stellt die Zehnerhebel 11, 12 und 13 des Schlittens zurück.

Die Holzplatte wurde leicht ausgebessert und frisch versiegelt.

Ein hübscher Größenvergleich: Das "Urgestein" der frühen "B" und die 15 Jahre später gebaute Verkleinerung, die "M".