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Copyright Detlev Bölter

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Teil 1: Allgemeines


Die erste Rekonstruktion der Schickard'schen Rechenmaschine durch Baron v. Freytag (Tübinger Stadtmuseum)

Wilhelm Schickard 1632,
mit einer seiner weiteren Erfindungen, dem Handplanetarium.


Johannes Kepler und Wilhelm Schickard, Gelehrte des 17. Jahrhunderts, waren befreundet. Kepler hatte Schickard's mathematische Begabung gefördert, und beide standen in regem Briefwechsel. Da sie sich auch astronomischen Berechnungen widmeten, gab es einen großem Aufwand an Rechenarbeit, und obwohl Tabellen und andere kleinere Hilfsmittel zur Verfügung standen, wünschten sich beide wohl dringend eine Vereinfachung der Rechenroutine.
Schickard entwarf und baute im Jahre 1623 eine Rechenmaschine, die als weltweit erste diesen Namen auch verdiente. Er berichtete Kepler von seiner Erfindung (er nannte sie "Rechenuhr") und gab 1624 eine weitere Maschine in Auftrag, die er Kepler schicken wollte. Diese Maschine wurde nie fertiggestellt und ging verloren, ebenso wie Schickards eigene. Diese erste Maschine hat Schickard sicher selbst genutzt, sonst hätte er keine für seinen berühmten Freund in Auftrag gegeben, und allein daraus können wir schließen, dass sie funktionierte - wie zuverlässig, wissen wir nicht..

Es gibt in der Literatur und im Internet einige Quellen über diese historischen Dinge, und sie sollen hier nicht weiter ausgeführt werden. Unten finden Sie einige Quellenhinweise. Am wertvollsten sind eine tübinger Studie des Wilhelm-Schickard-Instituts aus dem Jahre 1999 und das Heft "Wilhelm Schickards Tübinger Rechenmaschine von 1623".

Möchte man selbst eine "Schickard" bauen, ist man für jede Quelle dankbar. Die oben abgebildete, erste Rekonstruktion entstand in mühseliger und jahrelanger Tüftelei, und wer sich selbst einmal daran gemacht hat, mit losen Zahnrädern und ohne Vorbild ein Additionswerk mit Zehnerübertrag zu basteln, der weiß, wie viele Detaillösungen gefunden werden müssen. Darüberhinaus gibt es nicht nur eine Möglichkeit, wie das Werk aufgebaut werden kann, sondern zahlreiche Varianten. Und Schickard wird seine zweite, für Kepler bestimmte Maschine nach seinen ersten Erfahrungen wahrscheinlich verändert haben. So existieren zwei Zeichnungen, die "Design"- Unterschiede und eine Erweiterung des Rechenwerks von 5 auf 6 Stellen zeigen. Diese Zeichnungen sind neben einigen schriftlichen Hinweisen Schickards die wichtigsten Quellen:


Aus Schickards Nachlass:
Vermutlich eine Skizze seiner eigenen, ersten Maschine (1623)

Aus Keplers Nachlass:
Skizze der für Kepler bestimmten Maschine (1624)

Die neueren Replica, von denen mir Fotos des Innenlebens vorliegen, sind im Additionswerk alle etwas unterschiedlich gebaut. Die äußerlichen Unterschiede - Holz und Rahmenwerk - sind nicht bedeutsam. Das Multiplikationswerk ist eine Weiterentwicklung der Napier'schen Stäbe und erlaubt kaum eine technische Variation. Anders das Additionswerk, auf dessen Aufbau nur wenige Sätze und grobe Skizzen Schickards hinweisen. Die genauen Zeichnungen sind sicher bei seinem Mechaniker Johann Pfister gelandet und verschollen. Das Grundprinzip, die Verwendung dekadischer Zahnräder und einem Einzahn für den aufsteigenden und absteigenden Zehnerübertrag, stellt die eigentliche Erfindung dar. Keine der Rekonstruktionsversuche kann hingegen für sich beanspruchen, die tatsächlich verwirklichte Lösung wiederzugeben, denn die Logik des Übertragungsweges erlaubt unterschiedliche Detaillösungen.

Zum Aufbau dieses Rechenwerkes - Herzstücks der Rechenmaschine - sind nur wenige Notizen Schickards geblieben, sie deuten zwar in ausreichendem Maße auf das Grundprinzip hin, nicht aber auf technische Details. Manches Detail der Rekonstruktionen beruht also auf Schlußfolgerungen sowie Versuch und Irrtum. Umso mehr ist zu bedauern, dass beide Fotos des Additionswerkes in dem Tübinger Heft (S. 13) Fehler enthalten, die man allerdings bald entdeckt, wenn man beginnt, sich mit dem Aufbau der Maschine zu beschäftigen (z.B. ist eines der Bilder seitenverkehrt, was die Mechanik natürlich falsch wiedergibt). Auf den folgenden Seiten versuche ich zudem deutlich zu machen, dass der tübinger Nachbau zwar aller Ehren wert ist und zu Schickards gerechtem Ruhm beitrug, jedoch nicht dem Übertragungsweg entspricht, die Schickard auch erfand und bauen ließ.

Freddy Haeghens, einer der Sammler, die mit Herz und viel Können restaurieren, regte mich zum Nachbau einer "Schickard" an. Da ich Herausforderungen liebe, hat er mich auf dem richtigen Fuß erwischt. Ich kann hier keinen kompletten Nachbau vorstellen, da ich mich auf das Addierwerk konzentriert habe. Hierzu stelle ich einige Gedanken und ein funktionsfähiges Modell vor. Im linken Menü können Sie sich durch die Überlegungen und Bauversuche klicken.

Zunächst aber Quellenhinweise für alle, die sich ebenfalls für dieses wunderbar überflüssige und völlig unzeitgemäße Thema interessieren:


Sehr informativ und gründlich: (PDF) Historische Hinweise und vor allem exakte Beschreibung der Arbeitsweise (mit Rechenbeispielen)

Bruno Baron von Freytag gen. Löringhoff: "Wilhelm Schickards Tübinger Rechenmaschine von 1623", für € 4.00 erhältlich im Kulturamt Stadt Tübingen (hier: Online-Bestellung). Mit weiteren, erschöpfenden Literaturangaben!

Bedienungsanleitung (Rechenbeispiele) für die Schickard

Die Replica von Freddy Haeghens (http://users.skynet.be/Fredscalculators/p21.htm). Ich verdanke Freddy außerdem aufschlussreiche Fotos (Download hier) und Zeichnungen.

Replica von Wolfgang Blümich (http://bluemich.net/rechner/rm5.htm#127). Auch Wolfgang hat mir schöne Detailfotos geschickt, danke!

Die Homepage von Jan Meyer. Etwas über die Napier-Stäbe und die Schickard: http://www.rechenhilfsmittel.de/napier.htm

Seite mit Abb. der Maschine aus dem Deutschen Museum: http://www.rechenwerkzeug.de/schickar.htm

Ein französischer Nachbau ohne weitere Hinweise: http://www.histoire-informatique.org/musee/1_2_6.html

Als Java-Applett: http://www.gris.uni-tuebingen.de/projects/schickard/index.html

Große Abbildung einer Replica aus dem Nürnberger(?) Museum: http://www4.informatik.uni-erlangen.de/~jnweiger/images/museum/index.html