Home





Links









Copyright Detlev Bölter

zurück

Gauß



Inzwischen verkauft!

Hersteller: Gauß-Rechenmaschinenfabrik E. Hengstmann, H. Schärff und R. Ulbrich, Braunschweig, Mauernstr. 41/42
Baujahr: 1924
Seriennummer: 1247
Funktion: Vierspezies-Sprossenradmaschine, 10x9x14. Ohne Zehnerübertrag im Umdrehungszählwerk. Mit Original-Holzbrett, ohne Haube.
Beschreibung: Es handelt es sich um ein äußerst rares Stück. Martin (S. 372) bemerkt, dass nur wenige Dutzend dieser Maschinen gebaut wurden, heute sind mir aus Sammlerkreisen nur drei dieser Gauß bekannt. Mit der Jahrzehnte zuvor von Christel Hamann konstruierten, gleichnamigen Rechenmaschine mit Staffelwalzenprinzip (Martin S. 164) hat diese "Gauß" selbstverständlich nichts zu tun.
Die Seriennummer 1247 weist also nicht auf die Anzahl bisher gebauter Maschinen hin, vermutlich wurde erst ab 1000 oder, folgt man Martin, sogar erst ab 1200 gezählt. Ich vermute letzteres, denn die Nummerierung von Einzelteilen lautet durchgängig "47", ist also zwei- und nicht wie sonst üblich, dreistellig. Herbert Schneemann erwähnt drei bekannte Seriennummern: 1247, 1324, 1330, damit ist meine vielleicht die älteste bekannte.

Die Firma wurde im Dezember 1923 gegründet, bereits im Oktober des folgenden Jahres schieden Schärff und Ulbrich aus der Firma aus, die nunmehr "Rechenmaschinenfabrik Cosmos E. Hengstmann & Co." hieß. Ab diesem Zeitpunkt hieß auch die Maschine "Cosmos" (Foto hier). Doch auch sie hatte wenig Erfolg, es sind nur wenige Exemplare bekannt. Hengstmann hatte von Beginn an mit Zahlungsschwierigkeiten zu kämpfen, ich besitze Fotokopien seines Briefwechsels mit dem Finanzamt. Im Mai 1925 gab er seine Firma auf. Wie die Kopie einer "Cosmos"-Bedienungsanleitung zeigt, firmierten eine kurze Zeit lang "Buchheister & Oppelt" als Geschäftsinhaber, bevor die Produktion endgültig eingestellt wurde.

Es handelt sich bei der Gauß um eine klassische Sprossenradmaschine, mit kleinen Besonderheiten. Die Bleche des Korpus und des Schlittens sind aus leichter zu prägendem Messing, wie bei den Odhner- und frühen Brunsviga-Modellen. Allerdings erhielt ich den Hinweis, dass bei etwas späteren Modellen auch Eisenblech verwendet wurde. Der schrittweise Schlittentransport erfolgt über die langen, außen gelagerten Fronthebel. Außer durch diese Hebel läßt sich der Schlitten auch durch bloßen Druck hinweg beliebig hin- und herschieben, eine Sperre hierfür gibt es nicht.
Vor der Kurbel befindet sich die Löschtaste für die Einstellung. Sie transportiert jedoch nicht selbst die Einstellringe, wie etwa die Flügelschraubenlöschung der damaligen Brunsviga oder gar die Löschtaste der Hamann. Sie aktiviert lediglich eine Sperrstange, die bei einer vollständigen weiteren Drehung der Kurbel die Einstellhebel auffängt und auf Null stellt. Die Vorrichtung ist einfach, im Prinzip eine Weiterentwicklung des bekannten Löschkamms, jedoch in der Handhabung etwas umständlich und bei bestimmten Schlittenpositionen nicht möglich. Außerdem wird die zur Löschung erforderliche, vollständige Kurbeldrehung im Umdrehungszählwerk mitgezählt!
Statt einer Überlaufglocke gibt es nur ein optisches Überlaufsignal: Die Ziffer 9 des 14. Rades des RZW ist rot. Für den Schlittentransport und einige Bedienungssperren wurden eigene Lösungen entwickelt.

Ich vermute, dass die "Gauss" und die spätere baugleiche "Cosmos" gegen die etablierten großen Marken, vor allem Brunsviga, keine Chance hatten, da sie keinerlei Bedienungsvorteile boten. Vielleicht wollte man mit den langen Schlittentransporthebeln und der Tastenform die Schreibmaschinenkunden ansprechen. Die einzig weitere erkennbare Besonderheit, die Nullstellung des EZW per Taste, wurde etwa zur gleichen Zeit von Brunsviga besser gelöst. Mir ist nicht bekannt, ob eine der Sonderlösungen patentiert wurde, ich vermute eher, dass man diese Lösungen fand, um die Unzahl der Patente der mächtigen Firma Grimme, Natalis und Co. zu umgehen.

Die Gauß war nur leicht verstaubt, nach dem Öffnen bot sich ein vollständig sauberes und leichtgängiges Inneres, eine Folge davon, dass die Maschine nie nachgeölt wurde und nichts verklebte. Auch aus der Trommel ließ sich der Staub herausblasen, ein Beleg dafür, dass die Sprossen werksseits nicht geölt wurden. Also brauchte ich nur den Lack und die Prägungen zu reinigen sowie die Vernickelung aufzupolieren. Lediglich den Schlitten und die Trommelachslagerungen, Stellen, an denen sich der Metallabrieb stets am deutlichsten zeigt, habe ich durch etwas frisches Öl gleitfähiger gemacht. Alle Funktionen arbeiten einwandfrei.



Anmerkungen: Eine Sammlerin schickte mir dankenswerterweise eine Kopie der Bedienungsanleitung für die baugleiche "Cosmos". Außerdem erhielt ich einige Kopien von Korrespondenz, aus denen Hengstmanns Zahlungsprobleme mehr als deutlich werden. So gibt er an, im Jahre 1924 so gut wie keinen Umsatz getätigt zu haben und hatte bald darauf den Gerichtsvollzieher im Haus, da er keine Gewerbesteuer zahlen konnte. Hengstmann war eigentlich Handelsvertreter einiger berliner Firmen, vielleicht versprach er sich einen guten Umsatz über diese Geschäftsverbindungen, ähnlich wie es seinerzeit Schuster mit seiner Berolina praktizierte. Und vielleicht war ihm nicht klar, welchen Marktanspruch die seit Jahrzehnten im gleichen Ort ansässige Grimme, Natalis und Co. für sich behauptete.

Links intern:
Links extern:
Literatur: Martin S. 372
Download:

Blick ins Innenleben der Gauß. Man erkennt, dass der Korpus breiter ist als nötig, wohl aus optischen Gründen. Links vom Mittelträger, auf der Wellenverlängerung, befinden sich diverse Sperren.
Im linken Bild ist oben die durch die Einstelllöschtaste aktivierbare Sperrstange zu sehen. Sie verkippt durch Druck auf die Taste, hält die Einstellringe auf und bringt sie in Reih und Glied. Sie schnappt dann wieder zurück, benötigt für das Ganze jedoch eine volle Kurbeldrehung, im Gegensatz zu den Maschinen mit außen oder innen liegendem Löschkamm (z.B. Odhner, Thales, Triumphator), bei denen sich die Kurbel nach einer Viertel-Löschdrehung zurückdrehen läßt.
Die Demontage des Schlittens erfordert übrigens, dass man einen Seitenträger sowie weitere Teile des Innenlebens ausbauen muß - eine Kinderkrankheit aufgrund eines halben Millimeters Fehlanpassung - bei der ersten Baureihe darf das auftreten.


Der relativ einfach konstruierte Schlittentransport. Die Hebel werden an ihren äußeren Enden lediglich gelagert, auch dies geschah wohl eher aus optischen Gründen.