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Original-Odhner Mod. Ag


Hersteller: Maschinenfabrik W.T. Odhner, St. Petersburg
Baujahr: ca. 1912
Seriennummer: 18160
Funktion: Vierspezies-Sprossenradrechenmaschine 9x8x13, mit innen liegender Überlaufglocke, Zehnerübertrag bis zur letzten Stelle. Kein Zehnerübertrag im Umdrehungszählwerk, ohne Drehrichtungssperre und Einstellsperre.
Beschreibung: Die Maschine stammt aus den letzten Jahren der russischen Produktion. Sie wurde nach Schweden, zum Vertrieb des "Generalagenter Hadar Schmidt" exportiert.

Als "Typ A" werden sowohl die "Odhner-Arithmometer" (bis 1907) als auch die darauf folgenden "Original-Odhner" aus St. Petersburg, jeweils mit der klassischen 9x8x13 - Zählwerksanordnung, bezeichnet. Der Zusatz "g" bedeutet das Vorhandensein einer Überlaufglocke.
Da Modelle um die SN 20xxx "Petrograd" statt "St. Petersburg" im Logo zeigen und demnach 1914 oder etwas später gebaut wurden, lässt sich diese Maschine auf etwa 1912 datieren. In dieser Schätzung beziehe ich mich auf die Angaben von Christopher Nöring und Kevin Odhner.

Es gibt frühere Original-Odhner, die bereits den Schlittentransport per Tasten ("Tabulator" genannt) besitzen. Man konnte in diesen Jahren einfache Modelle ("A", "B" und "C", jeweils mit unterschiedlicher Stellenzahl, mit bzw. ohne Glocke = "g") und - gegen Aufpreis - solche mit technischen Neuerungen erwerben, die andere Typbezeichnungen erhielten. Hier ein Zitat aus einem Buch über die Odhner-Geschichte:
"The types were grouped alphabetically, the smallest one without a bell was marked A, and with a bell Ag, the fifteen digit type B and Bg, the eighteen-digit type C and Cg, etc. With the introduction of a tabulator and a cradle, the number of types was again increased so that at the end we had twenty-four different types." (Werksmeister E. Kuikka, zitiert nach Timo Leipälä).

Meine Maschine besitzt als einzige (allerdings wichtigste) Sperrvorrichtung die Wechselsperre zwischen Trommel und Schlitten. Diese Vorrichtung beruht auf dem gleichen Prinzip wie die deutschen Maschinen der Zeit, wurde jedoch technisch anders gelöst (ohne die bekannte Wippe) - siehe Fotos. Den Abbildungen zufolge, die ich fand, wurde diese Sperre nicht vor der SN 13xxx eingebaut. Wie die Fotos zeigen, ist die Sperrvorrichtung stark überproportioniert, und nicht nur das: Der Schlitten lässt sich wegen dieser Sperre nicht seitlich herausschieben, man muss dazu das Gehäuse vollständig zerlegen.

Zu dem Fehlen weiterer Sperren gibt es eine interessante Notiz, die wir ebenfalls Timo Leipälä verdanken: Die russischen Odhner wurden in Schweden mit den Worten beworben, dass sie keine "unnötigen Teile" enthalten - dies war vermutlich ein Konterversuch gegen die voll gesicherten Triumphator und Brunsviga jener Zeit. Ein Beispiel: Bei Brunsviga baute man um 1905 eine aufwändige Geschwindigkeitssperre ein (Modell "B1"), da die Rasterhebel der Zählwerke Geschwindigkeiten über 150 Drehungen pro Minute nicht bewältigten. Es kam zu Rechenfehlern wegen Überschleuderns im Resultatwerk. In Petersburg erkannte man diese Fehlerquelle ebenfalls, doch entwickelte man statt einer neuen Sperre gleich verbesserte Rasterhebel.

Wie die ganz frühen Brunsviga ist die Odhner-"A" erstaunlich leichtgängig. Sind diese Maschinen technisch in Ordnung, kommt ihnen die Physik zu Hilfe: Sind die verhältnismäßig großen Massen erst einmal in Schwung, bewältigen sie die Rastersperren eher als die späteren, leichten Maschinen.

Die dazugehörige Bodenplatte und die Haube sind nicht erhalten.



Anmerkungen: Als die Maschine zu mir kam, ließ sich die Kurbel drehen, Schlitten und Zählwerkslöschungen waren jedoch blockiert. Es stellte sich heraus, dass jemand die Maschine zerlegt und dann falsch zusammengebaut hatte; das Stirnzahnrad der Sperrwelle (siehe Fotos) war völlig falsch positioniert. Nachdem die Stirnräder korrekt zusammengefügt waren, lief die Maschine problemlos. Wie schon oben erwähnt: Da man den Schlitten nicht ohne weiteres herausbekommt, hat man wohl in der Folgezeit auf Reparaturversuche verzichtet.

Jemand hatte bereits vor längerer Zeit das Messing-Trommelblech und das eiserne Schlittenblech vom Lack befreit. Ich habe mich damit begnügt, den Rost vom Schlittenblech zu entfernen und dem danach hellen Blech seine dunkle Patina zurückzugeben.

Mich interessierte, ob bereits die russischen Odhner-Modelle jene verbesserten Sprossen besaßen, wie ich sie von der schwedischen Produktion her kannte. Also zerlegte ich die Trommel und öffnete ein Sprossenrad, obwohl die Einstellung einwandfrei lief: Die Sprossen waren noch von der klassischen Art mit eckigen Nasen.
Da die Sprossen sehr mit verharztem Öl bedeckt waren, konnte ich nicht widerstehen, die neun Stück des einen Sprossenrads zu reinigen, doch: Sie liefen hinterher schlechter und hakelten, wohl deshalb, weil sie damit ihr selbstgeschaffenes "Bett" verloren haben. Dieses Phänomen kannte ich zwar schon, doch es erstaunt immer wieder. Da ich genügend Erfahrung damit habe, konnte ich es korrigieren. Die übrigen Sprossenräder ließ ich dann in Ruhe.

Links intern:
Links extern: Modellübersicht (schwedisch/englisch)
Kevin Odhners wunderschöne Homepage(englisch)
Rechen-Anleitung für die Odhner (schwedisch/englisch)
Seriennummern mit Jahresangaben
"The Life and Works of W.T. Odhner" Teil 1 und Teil 2 (von Timo Leipälä)
Literatur:
Download:

Blick von oben bei geöffnetem Gehäuse und entfernter Trommel. Die Pfeile "1" weisen auf die beiden Sperrhebel, die jeweils von einem der Schlittenzählwerke angesteuert werden. Die beiden mächtigen Hebel sind hinten am Schlitten montiert (linker Montagepunkt bei "2") und bewegen sich mit. Aus diesem Grund gibt es hinten ("3") eine Sperrwelle, bei der jeweils eine andere Sperrscheibe - entsprechend jedem möglichen Stand des Schlittens - von einem der Hebel erfasst wird. Umgekehrt blockiert jeweils eine andere Sperrscheibe die Schlittenaktionen während der Kurbeldrehung. Die Sperrwelle ist 1:1 an die Trommelachse geschaltet und dreht sich stets mit. Es war diese Welle, die am linken Zahnrad falsch positioniert war und den Schlitten völlig blockierte.




Die Sperrvorrichtung ist einerseits sehr aufwändig konstruiert, z.B. besteht die Sperrwelle (3) aus einem Stück Stahl, die Scheiben wurden herausgedreht. Andererseits erscheint sie recht rustikal und fehldimensioniert, und es müssen die schweren Teile bei allen Schlitten- und Trommelbewegungen mittransportiert werden. Man erkennt, dass der Sockel für die Sperrvorrichtung und die Glocke ausgeschnitten werden musste.

Auch die innen liegende Glocke bewegt sich mit dem Schlitten. Bei einem Modell mit der SN 16xxx war die Glocke noch links außen am Schlitten montiert (Foto links), die Verlagerung nach innen wurde also als Fortschritt bewertet.







Bei den russischen Original-Odhner kann man äußerlich erkennen, ob diese Art der Sperre vorhanden ist. Am einem der Schlittensockel ragt einer der Träger in den Gehäusebereich (siehe Foto unten).

Blick von unten durch den ausgefrästen Sockel auf die Sperrhebel des Schlittens, die Glocke und die Sperrwelle. Im Unterschied zum obigen Foto befindet sich die Sperrwelle jetzt, zusammen mit der Kurbel, in Nullstellung. Dieses Foto zeigt, wie mächtig die Sperrhebel konstruiert sind, sie sind am Ende noch 9 mm breit!



Der Pfeil weist auf die von außen sichtbaren "Nase" für die Sperrvorrichtung.