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Mercedes-Walther-Melitta SN 157

  
Hersteller: Mercedes Büromaschinen-Werke A.G., Zella-Mehlis, unter Mitwirkung von CARL WALTHER Waffenfabrik, Zella-Mehlis i. Thüringen.
Baujahr: 1924
Seriennummer: 157
Funktion: Vierspezies-Sprossenradmaschine, 9x8x13, ohne Zehnerübertrag im Umdrehungszählwerk, mit Original-Holzbrett und -Haube der Vertriebsfirma "Stolzenberg". Nicht baugleich mit der "Walther 1", Mercedes-"Melitta" oder "Cosmos".
Beschreibung: Die Haube trägt den Namen "Stolzenberg", die Maschine selbst ist von außen gesehen eine "No-Name". Jedoch ist auf dem Maschinensockel innen ein winziges "Walther"-Logo eingestanzt, das man erst beim Zerlegen der Maschine entdeckt. Es gelang mir, die Herkunft der Maschine zu identifizieren, nachdem ich im Buch von Martin Reese das Kapitel "Walther und Melitta" studierte.
Letzte Gewissheit erbrachte der von Mercedes patentierte Schlittentransport: Die Maschine wurde von den Mercedeswerken in Zella-Mehlis entworfen.

Zur Geschichte: Neben der ständig wachsenden Produktpalette der Euklid-Modelle (ausführlich: Anthes) entwarf man in den Mercedes-Werken in Zella-Mehlis ab 1924 eine kleine Sprossenradmaschine. Vermutlich um sich besser auf die Euklid-Entwicklung konzentrieren zu können, übergab man der Fa. Walther, ebenfalls Zella-Mehlis, zumindest Teile der Produktion - laut dem Brief von Herrn Schranz, der bei Martin Reese abgedruckt ist, war das um 1926/27. Andere Quellen sprechen jedoch von 1924 als Startjahr der Rechenmaschinenproduktion bei Walther.

Auf dem Markt erschienen 1925 wenige Exemplare der "Cosmos" (links, Quelle: Handbuch der Büro-Maschinen, Berlin 1927 - Dank an Martin Reese für den Hinweis), - zurück an den Lizenzgeber Mercedes geliefert - die Mercedes-"Melitta" und schließlich die "Walther 1".

Die Firma "Stolzenberg" erhielt ein Kontingent aus frühester Produktion (1924/25), aus dem meine Maschine stammt. Es fehlen bei meiner Maschine noch einige spätere Merkmale: Daumenschalthebel für den Schlittentransport unterhalb der Kurbel, der gefederte Schlittenzug für die Division - ausgelöst durch eine Art Leertaste, analog zu den Schreibmaschinen - und Direkteingabe am Resultatwerk. Das sind jeweils Merkmale der "Walther 1", "Cosmos" und der eigentlichen "Melitta 1". Die Kommastange über dem EZW fehlt ebenfalls noch (obwohl die Bohrungen vorgenommen wurden, sie wurden werksseits wieder zugespachtelt). Die Flügelschrauben des Schlittens stehen noch im 45° - Winkel nach vorn. Die Schlittenfreigabe erfolgt durch eine vertikal wirkende Taste und nicht, wie später, durch einen Druckknopf. Auch die Büroausstattungsfirma "Stolzenberg" erhielt später Maschinen, die weiter entwickelt wurden, doch immer noch als No-Names, wie die unten rechts abgebildete Maschine (SN 1315) zeigt. Das Lexikon, aus dem die Abbildung stammt, gibt Stolzenberg als Hersteller an, was freilich nicht stimmt.

Walther war also von Anfang am Bau der Mercedes-Melitta zumindest beteiligt. Man suchte dort händeringend nach neuen Marktanteilen und wollte keine Leute entlassen. Nicht zu vergessen, es war die Zeit kurz nach der Inflation.
Tatsächlich berichtet die Walther-Firmengeschichte, dass die eigene Produktion von Rechenmaschinen 1924 begann. Bekannt ist, dass Mercedes auch noch in späteren Jahren Gußrohteile an Walther lieferte, da Walther keine eigene Gießerei besaß. Wurden also die Maschinen nach den Vorgaben und mit Rohteilen von Mercedes komplett bei Walther gefertigt und dann versandfertig zu Mercedes zurückgeschickt (was man heute "outsourcing" nennt)? Oder übernahm Mercedes die Endmontage, und Walther war nur der Zulieferer einiger Teile?

Die Beantwortung dieser Frage mag von akademischer Bedeutung sein. Auf jeden Fall gab es einen guten und regen Austausch zwischen den örtlich benachbarten Firmen und man schaffte es, in schwierigen wirtschaftlichen Zeiten Wachstum nicht durch gegenseitige Konkurrenz zu beeinträchtigen. Meine Maschine markiert den Beginn einer Gemeinschaftsproduktion, doch ging man nicht so weit, dies auch bekannt zu geben. Das "Walther"-Logo wurde versteckt platziert, wie mit heimlichem Stolz.

Die Nachfolgemodelle meines Prototyps erschienen sowohl als No-Names als auch unter verschiedenen Namen, die Seriennummerierung war jedoch einheitlich. Eine "Walther 1" im Besitz von Timo Leipälä trägt die SN 1482; das lässt annehmen, dass ab Start-Seriennummer 1000 (um 1926/27) Walther unter eigenem Namen produzieren durfte und dieselbe Maschine als "Melitta" an Mercedes zurücklieferte.

Bei Martin Reese (S. 150) und im Rechnerlexikon finden sich einige Patente, die aus der Entwicklungszeit bei Mercedes stammen. Dazu gehört insbesondere der Schlittentransport (Patent 422443 von 1924), der mit einem einzigen beweglichen Teil auskommt (siehe Fotos). Er funktioniert tadellos, möchte man jedoch zügig rechnen, merkt man, dass die einzige Rückhol-Spiralfeder (Teil "q" auf der unteren Zeichnung) etwas schwach ausgelegt ist. Spätestens ab SN 445 (siehe unten) waren dieses und andere frühe Konstruktionsmerkmale verschwunden. Das bedeutet auch, dass von dieser "Ur"-Melitta maximal 444 Stück gebaut wurden.

Ein anderes Patent von 1925 betrifft eine neue Einstellsperre (Patent 438310). Die Vorrichtung - in leicht abweichender Form - ist ebenfalls in meiner Maschine vorhanden.
Auch zu einer Tastenbedienung von Odhnermaschinen gibt es ein letztes Mercedes-Patent zum Thema Sprossenrad (1925), bevor man diesen Bereich ganz an Walther abtrat. Ein Prototyp hierzu wurde vermutlich nicht gebaut, jedoch ein Vorläufermodell zu dem genannten Paent. Es wurde offenkundig: Wie sollte man den Mercedes-Kunden erklären, dass man zwei Rechenmaschinen mit Tastatur, jedoch unterschiedlicher Grundkonstruktion baute? Das Musuem in Zella-Mehlis besitzt den Prototypen und Vorläufer dieser Tastaturversion, zu der die Melitta mit der SN 12 verwendet wurde. Ich hatte die Ehre, dieses historisch bedeutsame Unikat restaurieren zu dürfen. Es gelangte nie zur Serienreife, dabei spielten technische Probleme eine Rolle wie sicher auch firmenpolitische Entscheidungen - vielleicht durfte auch Walther keine Konkurrenz mit einer billigen Volltastaturmaschine machen.
(Ein weiteres Mercedes-Patent von 1921 (359387), das eine interessante, neue Konstruktion des Sprossenradmechanismus beschreibt, wurde ebenfalls nicht umgesetzt.)

Ich habe versucht die Kooperation von Walther und Mercedes noch einmal zusammenzufassen (PDF-Datei).

Die Maschine verdiente natürlich besondere Aufmerksamkeit: Vollständig zerlegt (einschl. Trommel und Zählwerke), gereinigt und poliert. Die Maschine war unter ihrer Haube optisch sehr gut erhalten und, abgesehen vom Metallabrieb der Flügelmuttern, technisch einwandfrei. Lacke aufpoliert, Holzboden und Haube gereinigt und klarlackiert. Schloß und Schlüssel sind im Original erhalten.



Anmerkungen: Wie schon bei meiner frühen Thales A, war der Abrieb am Flügelschraubensockel so weit fortgeschritten (ca. 1 mm), dass die Mitnahmestifte der Welle nicht mehr bei allen Ziffernrädern griffen und die Löschung ausblieb, und zwar beim RZW und auch beim UWZ. Das Foto zeigt eine der eingeschliffenen Kerben. Man nahm dann beim damaligen Service Unterlegscheiben, um den korrekten Abstand wieder herzustellen, oder man quetschte die Stelle - auch das wurde hier versucht, die Scharten zeigen es. Ich vermute, dass ab und zu auch die komplette Flügelmutter ausgewechselt wurde, falls die Maschine zurück ins Werk gelangte.
Mangels Ersatzteilen bleibt heute nur das erneute Quetschen der Stelle, weitere Unterlegscheiben (siehe Foto unten) bringen meist keinen Erfolg. (Nachtrag: Inzwischen sah ich dieses Problem bei mehrere frühen Melittas.)

An diesen Flügelmuttern endete also die auf lange Lebensdauer ausgelegte Präzision der Konstruktion. Zum Abrieb trug bei, dass die Feder, die die Teile aneinander presst, viel stärker ist als nötig.
Übrigens, die Flügelschrauben dieser Maschine samt Sockel sind völlig baugleich mit denen der frühen Thales, also fertigte man sie wohl nicht selbst, sondern kaufte sie bei Thales oder einem gemeinsamen Lieferanten.

Noch ein Nachtrag:
Inzwischen ist bei mir eine zweite bekannte Maschine dieses Typs aufgetaucht (inzwischen verkauft), es gibt schöne Zufälle. Die Seriennummer ist 181. Sie wurde später mit einigen Teilen der Walther-R-Reihe aufgerüstet. Mehr dazu hier. Ich erfuhr auch, dass ein Werksmodell (Prototyp) mit der SN 7 im Museum in Zella-Mehlis steht, dieses Modell trägt als Hersteller-Anschrift die Mercedes-Werke in Berlin! Die Funktionalität dieser Maschine ist unklar.
Die SN 12 wurde in den Prototyp der Tastaturmaschine eingebaut. Damit sind von dieser Ur-Melitta im Originalzustand nur zwei Maschinen erhalten,die SN 7 im Museum Zella-Mehlis und die SN 157 in meinem Regal!

Und noch ein Nachtrag (2010): Zwei weitere Maschinen sind mir bekannt geworden, jedoch nur eine davon im Originalzustand. Auch bei der Nr. 181 wurden ja bereits Teile ersetzt. Es bleibt jedenfalls ein äußerst rares Modell!

Inzwischen fand ich in der Zeitschrift "Historische Bürowelt" 49, 1997, S. 12 eine Abbildung dieser allerersten Melitta, die dort jedoch fälschlich als identisch mit der "Walther 1" und der "Cosmos" beschrieben wird.

Links intern: Die Kooperation zwischen Walther und Mercedes (PDF-Datei)
Links extern: Geschichte der Fa. Stolzenberg
Literatur: 1) Martin S. 380.
2) Reese, S. 87. Hier ist bereits die weiter entwickelte Walther-Melitta abgebildet.
Download:

Der genial einfache, jedoch etwas zu weich gefederte Schlittentransport (Feder "q" der Abb. 2 rechts). Der Hebel greift durch den Schlittenboden hindurch in die Ritzel des Maschinensockels. Siehe Bilder rechts und unten. Er wurde bald zum Daumenschalthebel umkonstruiert und unter die Kurbel verlegt, zusätzlich übernahm man (von Thales abgeschaut?) den gefederten Schlittenzug nach links.

Der Schlittentransport, aus der Patentschrift der Mercedes-Werke von 1924.

Der Sockel mit dem Ritzel für den Schlittentransport. Darüber das 1 cm breite Walther-Logo (sonst bei Waffen verwendet), das erst nach Ausbau des Schlittens sichtbar wird. Dieses Logo wurde von Walther übrigens von der ersten Melitta an bis ca. SN 1000 eingestanzt, also auch noch bei Maschinen mit Leertaste und Daumenschalthebel.

Ein Ziffernrad des RZW, die - neben dem Flügelschraubenabrieb - einzige bauartbedingte Schwachstelle. Der äußere Ziffernring ist aus Aluminium, der innere, mit den Zapfen, aus Eisen. Man quetschte die Verbindungsstellen (Pfeile), was eine Weile hielt. Danach lockerten sich die Ringe, denn Alu ist zu weich für eine derartige Verbindungstechnik. Die Anzeigefunktion selbst ist nicht beeinträchtigt, die Ziffernringe haben nur ganz leichtes Spiel.
Die allerersten Melitta (gesehen bei der SN 12) besaßen übrigens noch Ziffernräder aus massivem Aluminium, das war natürlich solider, doch wohl auf Dauer zu teuer.

Typisch für die Melitta, auch für spätere Modelle der Walther-Produktion: Nicht die (erhabenen) Ziffern sind gefärbt, sondern der Untergrund. Da Aluminium Farbe relativ schlecht hält, war sie recht stark abgeblättert. Was an Rot noch übrig war, ist, wie bei frühen Brunsviga, der Reinigung mit Seifenlauge zum Opfer gefallen. Ich habe ich die Farbe aller Ziffernräder erneuert.
Am Sockel der Flügelmutter links erkennt man den kleinen Abstand zum Schlitten, bedingt durch eine Unterlegscheibe (Pfeil). Da trotzdem die Löschung wegen starken Metallabriebs nicht bei allen Ziffern gelang, habe ich - ohne Erfolg - eine weitere Scheibe probiert. Es blieb nur das sorgfältige Quetschen der Flügelmutter (siehe oben) - etwas knifflig, weil die Mutter aufgrund früherer Versuche etwas lädiert war. Das obige Foto entstand übrigens inmitten meiner Reparaturversuche, erkennbar am nur provisorisch eingeschlagenen Zapfen, links.

Sprossenrad der "Ur"-Melitta, mit 4,9 cm so groß wie das der Brunsviga M. Besonders an den Sprossen, der Einstellrasterung (unten) und an den Stiften für den Zehnerübertrag erkennt man die Präzision, die die Fa. Walther von ihrer langen Erfahrung in Feinmechanik her gewohnt war. Das Foto kann das nicht wiedergeben. Aus der Waffenfabrikation wurden wohl auch die hochwertigen Metalllegierungen übernommen. (Man bemerkt: Ich bevorzuge die Annahme, dass die Maschine komplett von Walther gefertigt wurde).
Man erkennt Sonderlösungen: Die Zehnerübertragungsstifte wurden nicht, wie odhner-üblich, fest, sondern lose federnd montiert. Rechts unten auf der Messingscheibe ist der Durchlass für die patentierte Einstellsperre sichtbar, die nicht direkt den Stellring blockiert, sondern das viereckige Rasterplättchen. Der große Sicherungsring (links) hält das gesamte Innenleben zusammen.

Links oben, mit (original-)roter Farbe markiert, die Anzeige der Umdrehungsrichtung. Will man die Schnelllöschung per Löschkamm nutzen, muß man, wie bei den frühen Thales-Maschinen, den Hebel in einer der Endpositionen halten, damit wird die Drehrichtungssperre deaktiviert. Das Design erinnert insgesamt an die Thales A, von der man sich dann später auch die Idee des Schlittenzugs abschaute. Man erkennt den phantastischen, originalen Erhaltungszustand!



Die Mercedes-Melitta (Seriennummer 445) von Freddy Haeghens. Bereits mit Daumenschalthebel, Front-Entsperrung per Druckknopf und "Leertaste" versehen. Nur die Haube trägt die Aufschrift "Mercedes-Melitta".



Abbildung einer Mercedes-Melitta im Rechenmaschinenlexikon des Internationalen Forums für historische Büromaschinen (IFHB). Auch diese Maschine (Seriennummer 1315) wurde von Stolzenberg vertrieben. Sie ist baugleich mit der links abgebildeten Melitta. Da beide Maschinen kein Logo tragen, wurden vermutlich viele Maschinen der ersten Serien als No-Names produziert, um sich Vertriebswege wie über Stolzenberg offen zu halten.